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Zum Weiterlesen

Zum Weiterlesen: gesammelte Links

Folge 1 – Klimarelevanz volatiler Anästhetika

Techniken zur Reduktion des nötigen Frischgasflusses:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22415533/


Englands Plan zur Reduktion der VA-Emission:  https://www.england.nhs.uk/greenernhs/whats-already-happening/putting-anaesthetic-generated-emissions-to-bed/


Englands Plan zur Klimaneutralität:  https://www.england.nhs.uk/greenernhs/whats-already-happening/


Tolle Website der Anästhesie der University of Wisconsin zur Nachhaltigkeit (Ja, es gibt Sticker):  https://anesthesia.wisc.edu/sustainable-anesthesiology/


Richtig guter Übersichtsartikel über den Einfluss der Anästhesie auf den Klimawandel:  https://academic.oup.com/bjaed/article/15/4/173/305822


The Lancet Kommentar zur Reduktion von VA:  https://www.thelancet.com/pdfs/journals/lanplh/PIIS2542-5196(17)30040-2.pdf


Nochmal Lancet, diesmal Vergleich des CO2-Fußabdrucks drei verschiedener Gesundheitssysteme:  https://www.thelancet.com/journals/lanplh/article/PIIS2542-5196(17)30162-6/fulltext


Europäischer Report über Klimaeinfluss von Krankenhäusern:  https://noharm-europe.org/sites/default/files/documents-files/4746/HCWHEurope_Climate_Report_Dec2016.pdf


Report über den Einfluss des Gesundheitssystems auf den Klimawandel:  https://www.arup.com/perspectives/publications/research/section/healthcares-climate-footprint



Folge 2 – Abfallmanagement Reduce

Unsere Lieblingsstudie für das Thema Nachhaltigkeit im OP-Bereich von der deutschstämmigen Prof. Kerstin Wyssusek in Australien:
https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/0734242X18793937


Genau das, was wir brauchen um unseren Müll richtig zu sortieren. Hier findet ihr wirklich alles:
https://www.abfallmanager-medizin.de/abfall-abc/  


Die ASA hat eine umfassende Übersicht darüber erstellt, was wir alles schaffen können für die Nachhaltigkeit in der Anästhesie:
https://www.asahq.org/about-asa/governance-and-committees/asa-committees/committee-on-equipment-and-facilities/environmental-sustainability/greening-the-operating-room


Eine Britische Gesellschaft, die u.a. Standards für perioperatives Müllmanagement veröffentlicht. Die Briten sind dahingehend deutlich weiter als wir:
https://www.afpp.org.uk/books-journals/afpppublications/Standards-Recommendations-for-Safe-Perioperative-Practice-2016

Folge 3 – Abfallmanagement Recycle

Hier findet ihr einige Guides zur Umsetzung von Umweltmaßnahmen in der Anästhesie und im OP-Saal.

Tool Kit ASA:
https://www.asahq.org/about-asa/governance-and-committees/asa-committees/committee-on-equipment-and-facilities/environmental-sustainability/greening-the-operating-room#15

Guidance to Greening the operating room: https://practicegreenhealth.org/sites/default/files/upload-files/gor_fullset_webmaterials.pdf

Tool Kit der DGAI Nachhaltigkeitskommission – coming soon

Ihr wollt wissen was eigentlich aus welcher Plastik hergestellt wird? Und was man damit dann anfängt? Alle Informationen zu verschiedensten Abfallsorten findet ihr beim Plastikatlas des BUND, dem Abfall ABC des Abfallmanager-Medizin und dem Abfallwegweiser der Charité:
https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/plastikatlas-2019/
https://www.abfallmanager-medizin.de/abfall-abc/
https://umweltschutz.charite.de/umweltschutz_informationen/abfall/abfallwegweiser/

Eine tolle anästhesiologische Übersichtsarbeit, was wir alles aus dem Müll wieder herausholen können von der australischen Antwort auf die Plastiktüte: Kerstin Wyssusek – The Gold in Garbage:
https://aornjournal.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1016/j.aorn.2016.01.014

Folge 4 Abfallmanagement Reuse

Website mit vielen Schritten zu einem grüneren OP Bereich inkl. Studien, notwendigen Schritten und Erfahrungen:
http://www.sustainabilityroadmap.org/pims/30#.YDqzONhKjcs

Umfassende Übersicht über Möglichkeiten zu einem grüneren OP:
https://www.c4spgh.org/HCW1_Presentations/GOR_FullSet_Guidance%20Docs_Web_042711.pdf

Aufbau einer Plattform zur stofflichen Verwertung von Medizinprodukten eines Fraunhofer Instituts:
https://www.iwks.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/pressemeldungen-2020/recycling-medizinprodukte.html

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Folge 2: Abfallmanagement Reduce Podcast Skripte

Abfallmanagement Reduce: Skript zum Podcast – Folge 2

Mülltrennung ist schon zuhause eine Wissenschaft. Soll meine Bananenschale auf den Kompost oder in den Biomüll? Trenne ich den Klebestreifen vom Versandkarton oder kann der mit in den Papiermüll? Da lässt es sich doch gleich einfacher arbeiten im OP-Saal. Alles in einen Sack und ab in die Verbrennung. Klar, ist ja infektiös. Und noch einfacher wird es mit dem Einmalbronchoskop und dem Einwegkittel – die Vorhaltung eines Sterilisators sei ja sowieso viel zu teuer. Oder?!

Zustandsbeschreibung

Unsere übergeordneten Ziele des sinnvollen Umgangs mit Müll sind das Einsparen von Ressourcen, die Reduktion des Treibhausgasausstoßes und das Schließen eines möglichst schadfreien Wertstoffkreislaufs. 

Verbrennung ist neben Recycling der Hauptweg des Mülls in Deutschland.1,2 Die Verbrennung erfolgt oftmals in mäßig modernen Anlagen mit Wirkungsgraden von nur etwas über 50% . Die nur teilweise entgifteten Reste werden im Straßenbau verwendet.3,4 Pro kg Müll entstehen außerdem 3 kg CO2 bei der Verbrennung.5 

In anderen Ländern wird noch mehr auf Deponien entsorgt.2 Auf Deponien verbleiben viele Müllanteile einfach und warten auf fleißige Bakterien oder ArchäologInnen der Zukunft auf den Spuren des Anthropozän. Währenddessen können Schadstoffe abgegeben werden.

Alternativ bleibt das Recycling als vielversprechende Möglichkeit der Rückführung in den Kreislauf. Hierbei werden jedoch in Deutschland aktuell nur ca. 17 % des Recyclingmülls wiederverwendet. Der Rest wird größtenteils verbrannt. Ein geringer Teil wird nach Asien exportiert.6 Dort wird wiederum ein Teil recycelt, ein Teil verbrannt, ein Teil gestapelt und ein Teil geht ins Meer.7–9

Zur Verteidigung des Recyclings muss gesagt werden, dass es sich insbesondere durch das neue Verpackungsgesetz in eine gute Richtung bewegt und bald knapp ⅔ des Plastikmülls wiederverwertet werden müssen.10 

Krankenhäuser sind einer der größten Abfallproduzenten in der westlichen Gesellschaft, oftmals nur von der Nahrungsmittelindustrie übertroffen.11 Die Abfallproduktion wächst jährlich um mindestens 15%.12–14 Ein großer Müllproduzent ist im Krankenhaus der OP-Bereich, in welchem bis zu einem Drittel des Mülls entsteht ( pro OP 7-16 kg) und davon wiederum 25% in der Anästhesie.11,13,15–20 Man kann also grob überschlagen, dass wir als Anästhesie für bis zu 8 % des gesamten Abfalls im Krankenhausbereich verantwortlich sind. Hierbei ist Müll nicht gleich Müll: an der Berliner Charité beispielsweise werden insgesamt 57 Arten von Abfall unterschieden.21 Am naheliegendsten sind natürlich Plastik, Glas, Metalle oder Verbundmaterialien. Aber auch infektiöse biologische Abfälle oder Gefahrgüter können weiter definiert werden.

Diese Unterscheidung von verschiedensten Abfallarten gibt uns theoretisch die Möglichkeit zur differenzierten Behandlung des entstehenden Mülls. Was letztlich jedoch vielerorts passiert, ist die Bündelung aller entstehenden Anästhesie-Abfälle in einem (oder zwei oder drei) großen schwarzen Sack und Zuführung zur Verbrennung.11,22,23 Warum ist das aber so, wo doch per Datenlage ein differenzierter Umgang mit Müll billiger und umweltfreundlicher ist?

Gründe für den Umgang mit Müll im OP-Bereich

Die Schwierigkeiten in der Umsetzung von ökologisch wie ökonomisch sinnvollen Veränderungen im Müllmanagement lassen sich auf zwei Hauptebenen erklären: einerseits auf der Wissensebene mit Fehlannahmen zum richtigen Umgang mit Müll, andererseits auf der Organisationsebene mit der Trägheit des Systems, eine Veränderung zuzulassen.

Ein gutes Beispiel für ein Defizit auf der Wissensebene ist das lückenhafte Verständnis dafür, was wir überhaupt für Müll produzieren. Es erscheint naheliegend, dass der entstehende Müll im OP infektiös oder gefährdend ist und daher gesondert entsorgt werden muss. Dabei kann aber das Meiste was wir produzieren (inklusive moderat-blutiger Gegenstände) analog zum Haushaltsmüll behandelt werden, kann also auch getrennt werden.24 Gesondert und ohne primäre Möglichkeit zur Wiederverwertung entsorgt werden müssen einzig gefährdende Stoffe und Substanzen wie z.B. Chemotherapeutika, scharfe Gegenstände, Atemkalk und weniges Andere. Hierunter fallen ca. 10 % des entstehenden Mülls. Zusätzlich werden jedoch große Mengen von insbesondere Verpackungsmüll, Glas und Metallen falsch als Rest- oder Sondermüll klassifiziert und zur Verbrennung entsorgt.11,25 Wir können an dieser Stelle davon ausgehen, dass Gründe für die Falsch- bzw. Mangelinformation des Personals mannigfaltig sind und nicht pauschal mit Desinteresse oder Zweifel an den ökologischen Auswirkungen der Müllproduktion begründet. Man muss diesen Aspekt jedoch sehr ernst nehmen, denn beispielsweise hat ein substanzieller Anteil von Menschen weiterhin Zweifel daran, dass der Klimawandel existiert (16%), oder dass die Menschheit für diesen primär verantwortlich ist (49 %).26

Neben dieser Wissensebene gibt es Schwierigkeiten auf der organisatorischen Ebene. Beispiele sind die uns bekannten starren Strukturen sowie die fehlende Initiative seitens der zentralen Entscheidungsträger. Zusätzlich besteht sicher auch die Sorge vor falscher Umsetzung und möglichen Konsequenzen durch inadäquate Entsorgung von Müll. Ebenso können Arbeitszeitverdichtung und hohe Belastung des Personals dazu führen, dass keine Zeit da ist, um bewusst vom bisherigen Standard abzuweichen und so Veränderungen erfolgreich zu etablieren. Und manchmal ist es einfach die Bequemlichkeit. “Wir haben es halt schon immer so gemacht“.11,27–29 Diese Auflistung soll keine Liste von Vorwürfen gegenüber dem System Krankenhaus darstellen, sondern versuchen zu verdeutlichen, warum wir da sind, wo wir sind. Indem wir uns Schwierigkeiten und ihre Ursachen bewusst machen, erhalten wir die Möglichkeit, an diesen konstruktiv anzusetzen.

Welche Alternativen bestehen?

Es lässt sich also ableiten, dass mögliche Änderungen erfordern, dass einerseits Aufklärungsarbeit betrieben wird, und dass andererseits in dem starren System Wege gefunden werden, um auch im größeren Rahmen Umsetzungen zu ermöglichen. Dies funktioniert am besten durch interdisziplinäre Green Teams, die solche Bemühungen bündeln können und in der Lage sind, Besonderheiten verschiedener Abteilungen entsprechend zu berücksichtigen.

Die klassische Grundlage des verbesserten Umgangs mit Müll ist das Konzept der 5 Rs (Reduce, Reuse, Recycle, Rethink, Research). Es findet sich bei den ersten drei Rs auch ein Ranking der Priorität. Müllvermeidung hat die höchste Priorität, denn wer weniger Müll produziert muss weniger Ressourcen und Aufwand verwenden, um ihn wieder loszuwerden. Zweiter Platz in der Hierarchie ist Re-Use. Hierfür muss Energie für Transport und Aufbereitung aufgewandt werden. Platz 3 geht an das Recycling, weil für die Wiederverwertung noch mehr Energie aufgewandt werden muss.2

Reduce:

“WENIGER IST MEHR”

Wo wir im Supermarkt versuchen, auf Plastiktüten und Verpackungen zu verzichten, ist das gleiche Konzept auch im anästhesiologischen Alltag anwendbar. Zumal wir als Anästhesie den meisten Abfall im Krankenhaus produzieren, sogar noch vor der Intensivmedizin.30 (Und die Intensivmedizin sind ja auch noch wir, somit besteht hier doppeltes Potenzial.)

Die einfachsten Variante ist es, den Müll zu verringern, bevor er entsteht, und somit Kosten und Aufwand für Recycling, Transportwege und Abfallverwertung zu reduzieren. 2,5,31–34

Dabei ist natürlich die Patientensicherheit das höchste zu wahrende Gut. In der Diskussion wird es auch immer wichtig sein, solche Projekte der Leitungsebene schmackhaft zu machen. Insbesondere bei Reduce sind hier neben den ökologischen Aspekten auch die potenziell geringeren Kosten zu nennen. 

Hier ein paar Ideen:

–     Besprecht vor der Narkoseeinleitung welche Medikamente und welches Equipment ihr für diesen Patienten benötigt und bereitet nur diese vor. Eine klassische Situation ist die begonnene Einleitung, bei der plötzlich gefragt wird, wie viel Nimbex gespritzt werden soll, obwohl ihr eigentlich eine LMA-Narkose vorhabt. Seid euch sicher, der Tubus ist auch schon geöffnet und mit extra Spritze der Cuff getestet. Die Menge an verworfenen Medikamenten ist teils erschreckend hoch und geht in die Hunderttausende Dollar pro Krankenhaus.35 Insbesondere bei Propofol ist der Verwurf hoch, wobei hier besonders auf  adäquate Entsorgung geachtet werden sollte (am besten auf eine Kompresse spritzen und in den Abfall, da es erst ab > 1000 °C verbrennt). Es ist, wenn inadäquat entsorgt, ein Umweltproblem, weil es in Fett akkumuliert, nicht biologisch abgebaut wird, und toxisch für Wasserorganismen ist.36–38  Aber auch Atropin, Ephedrin, Succhinylcholin und weitere werden “gern” ungenutzt verworfen.

– Überdiagnostik und Übertherapie: Überlegt euch bei der Verordnung von Medikamenten, Untersuchungen oder Tests ob sie wirklich notwendig sind und eine Konsequenz hätten. Braucht man eine BE vor einer kleinen ASA 1 Narkose? Ist eine PONV Prophylaxe wirklich indiziert? Sind zwei BGAs pro Schicht 3 Tage nach OP noch wichtig?39,40

– Müssen die Blutentnahmen in einem extra Plastiktütchen ins Labor geschickt werden? Wenn ja, werden diese reinen “Transporttütchen” wieder benutzt? Gibt es für die Hauspost wiederverwendbare Briefumschläge mit vielen Adressfeldern? Müsst ihr alles ausdrucken, um es zu lesen? An der Charite werden pro Jahr 57 Millionen DIN A4 Blätter gedruckt (300 Tonnen CO2 Emission). Jedes nicht gedruckte Papier spart hier 200ml Wasser, 2g CO2 und 2g Holz. Außerdem liegt eine große Chance in der Wahl der Herkunft des Papiers. Papier mit dem Blauen Engel und ohne Bleichmittel kostet nur minimal mehr und schließt einen Wertstoffkreislauf. Es wird nicht aus Frischpapier sondern aus recycelten Fasern produziert.41 Außerdem kann mit der IT abgesprochen werden, dass als krankenhausweite Voreinstellung doppelseitiger Druck erfolgt. 

–     Wie viele hundert Pappbecher, die nicht besser als Plastikbecher sind, gehen wohl jeden Tag in den Wasserspender-Müll?42 Es gibt viele Kleinigkeiten auch am Rande des OP Saals, mit denen ihr Müll einsparen könnt. Am Ende häuft es sich.

Ab jetzt größere Änderungen:

–     Flexibler minimaler Standard vs. maximaler Standard. Fertig gepackte Sets, zum Beispiel zur Anlage von ZVKs oder Regionalanästhesien werden von Krankenhäusern meist selbst zusammengestellt. Fällt euch auf, dass am Ende immer wieder Sachen übrig bleiben, weil sie nicht benutzt werden? Habt ihr das mit der SOP des Hauses abgeglichen? Dann kann man sich überlegen, ob aller Überschuss nicht per Herstelleranfrage entfernt werden kann. Sollte es Widerstand im Kollegium geben, weil zum Beispiel eine Subkutan-Kanüle fehlt oder zu wenig Tupfer übrig sind, kann man immer noch einzeln verpackte Gegenstände bei Bedarf steril anreichen. Wenn man es zusammenfasst, wird im Grund von einem hochaddierten maximalen Standard auf einen flexiblen minimalen Standard gewechselt. Für die gleiche Intervention können auf chirurgischer Seite mehrere 100.000 Dollar gespart werden, was natürlich deutlich über unseren Möglichkeiten liegt, jedoch verdeutlicht wie sinnvoll eine solche Intervention ist.43

– Was passiert mit ungenutztem aber geöffnetem oder abgelaufenem Equipment? Man kann es ganz einfach beispielsweise an den Simulator der Klinik spenden. Oder für Teaching Sessions und Studentenkurse. Oder oder oder

– Insbesondere “Notfallspritzen” wie Adrenalin, Noradrenalin und Succinylcholin wandern ungenutzt in den Abfall. Hier können sich voraufgezogene Fertig-Spritzen lohnen, welche erst bei Nutzung geöffnet werden. Das reduziert die Menge an Müll und reduziert die Menge an schwer zu entsorgenden Medikamenten und schafft sogar noch Patientensicherheit mit weniger fehlerhaften Gaben.44 Man benötigt sogar weniger Glasampullen und Nadeln, deren Entsorgung in der Verbrennung sehr energieintensiv ist.24

– Macht es Sinn Medikamente für Notfälle – klassischerweise der Cito Sectio – durch eure Apotheke herstellen zu lassen um ein Verwerfen der Medikamente und Materialien alle 12 h zu vermeiden? In welchen Bereichen wäre das auch noch praktisch?

– läuft gehäuft ein bestimmtes Medikament oder Medizinprodukt ab? Man kann sich überlegen, die vorgehaltene Lagermenge zu reduzieren.

– Wenn an Beatmungsschläuchen patientenindividuelle HME-Filter genutzt werden, können die Beatmungsschläuche 7 Tage lang genutzt werden (außer bei Verschmutzungen oder infektiösen Patienten). Dabei gibt es bis zu 7 Tagen keine erhöhte Keimzahl in den Schläuchen, weswegen dieses Vorgehen auch von den Fachgesellschaften empfohlen wird. Stark! Sogar waschbare Systeme sind je nach Infrastruktur des jeweiligen Krankenhauses denkbar und andererorts gängige Praxis.45–48

– Thematisiert das Thema Müll. Durch Teaching Programme können bereits Einsparungen geschaffen und den Defiziten auf der Wissensebene begegnet werden.49

Die Aufzählung kann hier keine Vollständigkeit haben. Schreibt uns doch gern, welche Möglichkeiten zum Einsparen von Materialien ihr seht und am besten direkt dazu die Quelle der Umsetzbarkeit und Qualitätswahrung. 

Conclusio:

Das war ein Ritt – so viele Möglichkeiten, die Welt ein bisschen besser zu machen. Eine der Kernbotschaften angesichts dieser riesigen Blase der Chancen ist, dass es eine Team-Aufgabe ist. Kleine Schritte sind ohne Probleme möglich, man lässt das Potenzial allerdings in ungeahnte Höhen aufsteigen, wenn man in Zusammenarbeit mit der eigenen und den anderen Fachdisziplinen und Berufsgruppen agiert. Hier liegen nochmal riesige Möglichkeiten, insbesondere in Kooperation mit den ChirurgInnen und der OP-Pflege. Leitende Ebenen sind von der Kostenreduktion sowieso begeistert. Und das schöne ist, dass man das Rad nicht neu erfinden muss, denn all diese Änderungen wurden andernorts schon vorgedacht und sehr erfolgreich umgesetzt. Man findet Unmengen an strukturierten Plänen für das Vorgehen. Vor allem aber macht es Sinn, sich als “Green Agent” zu etablieren, die verstaubten Vorurteile über verkappte Weltretter zu überwinden und einfach das Richtige zu tun. 

Quellen:

1         Wilke S. Kunststoffabfälle. Umweltbundesamt. 2013; published online Sept 26. https://www.umweltbundesamt.de/daten/ressourcen-abfall/verwertung-entsorgung-ausgewaehlter-abfallarten/kunststoffabfaelle (accessed Jan 3, 2021).

2         Bartl A. Moving from recycling to waste prevention: A review of barriers and enables. Waste Manag Res J Int Solid Wastes Public Clean Assoc ISWA 2014; 32: 3–18.

3         Systemadmin_Umwelt. Beispielhafte Darstellung einer vollständigen, hochwertigen Verwertung in einer MVA unter besonderer Berücksichtigung der Klimarelevanz. Umweltbundesamt, 2009 https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/beispielhafte-darstellung-einer-vollstaendigen (accessed Jan 3, 2021).

4         Welle (www.dw.com) D. Müllverbrennung in Deutschland: Entsorgung mit Risiken? | DW | 28.10.2019. DW.COM. https://www.dw.com/de/m%C3%BCllverbrennung-in-deutschland-entsorgung-mit-risiken/a-50759483 (accessed Jan 3, 2021).

5         WHO | Safe management of wastes from health-care activities: A summary. WHO. http://www.who.int/water_sanitation_health/publications/safe-management-of-waste-summary/en/ (accessed Jan 3, 2021).

6         Recyclingquote von Plastikmüll in Deutschland nur bei 16 Prozent. https://www.forschung-und-wissen.de/nachrichten/umwelt/recyclingquote-von-plastikmuell-in-deutschland-nur-bei-16-prozent-13373011 (accessed Jan 3, 2021).

7         Das BMU klärt auf zum Thema Plastikrecycling – BMU-Meldung. bmu.de. https://www.bmu.de/ME8354 (accessed Jan 3, 2021).

8         Waste Exports: The rubbish dump is closed | Heinrich Böll Stiftung. Heinrich-Böll-Stift. https://www.boell.de/en/2019/11/04/waste-exports-rubbish-dump-closed (accessed Jan 3, 2021).

9         tagesschau.de. Was heißt eigentlich ‘99 Prozent Wiederverwertung’? tagesschau.de. https://www.tagesschau.de/faktenfinder/kurzerklaert/kurzerklaert-recycling-101.html (accessed Jan 3, 2021).

10       VerpackG – nichtamtliches Inhaltsverzeichnis. https://www.gesetze-im-internet.de/verpackg/ (accessed Dec 15, 2020).

11       Wyssusek KH, Foong WM, Steel C, Gillespie BM. The Gold in Garbage: Implementing a Waste Segregation and Recycling Initiative. AORN J 2016; 103: 316.e1-8.

12       Lee RJ, Mears SC. Reducing and recycling in joint arthroplasty. J Arthroplasty 2012; 27: 1757–60.

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16       Enzor NA, Pierce JMT. Recycling steel from single-use laryngoscope blades and Magill forceps. Anaesthesia 2013; 68: 115–6.

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20       Wormer BA, Augenstein VA, Carpenter CL, et al. The green operating room: simple changes to reduce cost and our carbon footprint. Am Surg 2013; 79: 666–71.

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40       Präoperative Evaluation des kardiopulmonalen Risikopatienten – A&I Online – Anästhesiologie & Intensivmedizin. https://www.ai-online.info/archiv/2016/05-2016/praeoperative-evaluation-des-kardiopulmonalen-risikopatienten.html (accessed Dec 15, 2020).

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42       Deutsche Umwelthilfe e.V.: Sei ein Becherheld. Dtsch. Umwelthilfe EV. https://www.duh.de/becherheld-problem/ (accessed Jan 3, 2021).

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47       Dubler S, Zimmermann S, Fischer M, et al. Bacterial and viral contamination of breathing circuits after extended use – an aspect of patient safety? Acta Anaesthesiol Scand 2016; 60: 1251–60.

48       Hartmann D, Jung M, Neubert TR, Susin C, Nonnenmacher C, Mutters R. Microbiological risk of anaesthetic breathing circuits after extended use. Acta Anaesthesiol Scand 2008; 52: 432–6.

49       Mosquera M, Andrés-Prado MJ, Rodríguez-Caravaca G, Latasa P, Mosquera MEG. Evaluation of an education and training intervention to reduce health care waste in a tertiary hospital in Spain. Am J Infect Control 2014; 42: 894–7.

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Folge 1: Klimarelevanz volatiler Anästhetika Podcast Skripte

Klimarelevanz volatiler Anästhetika: Skript zum Podcast – Folge 1


“The economic advantage of using only the amount of oxygen and anesthetic agents consumed by the patient is timely. Ecologic consequence of reduced fluorocarbon emission from the operating rooms is an added benefit.”
– Lowe and Ernst. Quantitative Practice of Anesthesia. 1981:15

Wie oft haben wir heute noch die Chance, einen FCKW-haltigen Kühlschrank zu sehen? Ein wahres Museumsstück und zugleich irgendwie Teil eines Klima-Gruselkabinetts. Das Verbot 1995 in den westlichen Ländern führte zu einem deutlich geringeren Ausstoß des schädlichen Klimagases.1,2
Doch irgendwie hat man vergessen uns zu sagen, dass FCKW oder FKW nicht nur weiterhin verwendet, sondern von uns AnästhesistInnen jeden Tag ungefiltert in die Atmosphäre abgegeben werden. Als hätten wir einen alten Kühlschrank mit einem ewigen Leck.
Der menschengemachte Klimawandel durch den Anstieg der durchschnittlichen globalen Temperaturen ist eines der relevantesten Probleme des aktuellen Jahrhunderts und wird uns alle zukünftig immer deutlicher betreffen.3–5

Primäre Ursache ist der Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2, Methan, Lachgas und FKW/FCKW.6
Genau letztere werden als volatile Anästhetika wie Desfluran, Sevofluran und Co. verwendet und ohne Filteranlagen über den Schornstein des Krankenhauses in die Luft geleitet. Und dieses Problem kann man angehen.

Welche Gase sind wie relevant und wer stößt sie aus?
Bevor wir zur Anästhesie kommen, sollten wir ein paar ganz grundlegende Aspekte besprechen. Mehr als drei Viertel des sogenannten anthropogen Treibhauseffekts werden durch CO2 verursacht und es hat die höchste atmosphärische Konzentration der Treibhausgase.7 Wegen seiner hohen Relevanz wird es als Vergleichswert genommen und die Wirkung der einzelnen Stoffe zur besseren Vergleichbarkeit mittels CO2-Äquivalenten (CO2e) in Relation gesetzt. Ein wenig wie mit Morphin. Die Wirkung der jeweiligen Treibhausgase betrachtet man je nach Kontext über einen Zeitraum von 20, 50 oder 100 Jahren und nennt es das Global Warming Potential (GWP). Der größte Anteil des CO2-Ausstoßes erfolgt durch die Verbrennung fossiler Energieträger und Abfall, ebenfalls relevant ist der Abbau von Biomasse (Entwaldung etc.).8


Zweitwichtigstes Treibhausgas ist Methan und wird insbesondere im Rahmen von Viehhaltung und Gewinnung fossiler Brennstoffe (Steinkohlenbergbau, Gasverteilung, Fracking) frei. Bereits aktuell, aber insbesondere zukünftig sind abschmelzender Permafrost und Lager am Meeresboden Quellen der Methan-Freisetzung. Methan hat ein ca. 21-fach höheres Potenzial als CO2 als Treibhausgas und trägt mit 9-16 % (ca. ⅙) zum anthropogenen Treibhauseffekt bei. Wir im Krankenhaus haben vor allem über die Wahl unserer Energieversorgung und Ausbau vegetarischer Ernährungsangebote Einfluss darauf.9


Distickstoffmonoxid, uns besser bekannt als Lachgas, wird insbesondere in der Landwirtschaft durch Einsatz künstlicher Dünger freigesetzt. Zusätzlich ist es ein etabliertes volatiles Anästhetikum. Mit ca. 300-fach höherem Potenzial als Treibhausgas trägt es einen Anteil von 5-9 % 8,10,11 zum anthropogenen Treibhauseffekt bei. Der internationale Ausstoß steigt seit langem kontinuierlich.12 Der Anteil des Ausstoßes durch das Gesundheitssystem beträgt insgesamt unter 4 %, ist jedoch je nach Umfang des Einsatzes potenziell ein relevanter Verursacher des CO2-Fußabdrucks der Anästhesie.9,13 Nicht zuletzt angesichts verschiedener diskutierter Risiken durch Verwendung von Lachgas sinkt jedoch dessen Verwendung in den letzten Jahren.14–16


Fluorierte Kohlenwasserstoffe (FCKW/FKW) sind ebenfalls, neben eingangs angesprochener historischer Anwendung in Kühlschränken (Verbot in westlichen Ländern 1995, heute noch ca. 40 % der recycelten Altgeräte), noch in Verwendung als volatile Anästhetika. Bei aktuell 1-2 % Anteil am Treibhauseffekt mit Verdopplung alle 10-15 Jahre ist das Potenzial der Stoffe eindrücklich.17 Relevant sind heutzutage Isofluran (GWP100 510), Sevofluran (GWP100 130) und insbesondere Desfluran mit einem rekordverdächtigen GWP100 von 2540, welche im Rahmen von balancierten Anästhesien ungefiltert in die Atmosphäre abgegeben werden. Und wenn ihr kurz an die Prozentzahlen auf dem Desfluran-Vapor denkt, wisst ihr, dass hier ein weiterer Schreck wartet, denn das Treibhauspotenzial errechnet sich pro Stoffmenge und Desfluran braucht hohe Konzentrationen. Zusätzlich wird der jeweilige CO2-Abdruck einer Narkose durch den Einsatz von Lachgas als Trägergas weiter relevant erhöht. 18,19


Wie relevant ist der Anteil der Anästhesie und Anästhesiegase an Treibhausemissionen?
Der gesamte Gesundheitssektor trägt quellen- und landesabhängig zwischen 5 und 10 % zu den Treibhausemissionen in westlichen Ländern bei, global sind es 4,4 %.20–22 Volatile Anästhetika bilden einen Anteil der Emissionen des Gesundheitssektors von bis zu 2,5%, vor allem durch Lachgas und Desfluran.23 Insgesamt tragen volatile Anästhetika ca. 0,01 % zum globalen Ausstoß an Treibhausgasen bei.10 Diese Zahlen sind teils sehr abstrakt, jedoch sind diese etwas konkreter im Kontext von Beispielen:
• 7 Stunden minimal flow steady state Desfluran-Narkose mit Lachgas entspricht 3924 km mit dem PKW. (Und bei einem flow von 2 l/min wären es 15.698 km)
• Eine Flasche Desfluran vollständig zu verwenden hat den gleichen CO2-Fußabdruck wie die Verbrennung von 440 kg Kohle und ein Äquivalent von 893 kg CO2.24,25
Die weltweite Nutzung volatiler Anästhetika entspricht bereits in einer eher konservativen Rechnung dem CO2-Ausstoß von 1.000.000 PWKs oder einem ganzen Kohlekraftwerk.10,26


Es ist also insgesamt wie auch bei anderen Quellen der Treibhausgasemission: man hat nur Einfluss auf einen begrenzten Teil der Emissionen, der anteilsmäßig deutlich hinter der Industrie liegt. Und doch liegt bei den volatilen Anästhetika ein vergleichsweise großes Maß an Einflussnahme, das das Individuum nutzen kann.27 Außerdem ist eine recht einfache Intervention wie der Verzicht insbesondere auf Desfluran bereits eine fassbare Verbesserung und kann Blaupause und Motivation für folgende klimarelevante Verbesserungen innerhalb einer Abteilung sein.28

Welches Potenzial hat eine Reduktion des Einsatzes von volatilen Anästhetika?
Jetzt wird es handfest. Was passiert denn konkret, wenn ich auf Desfluran verzichte? Eine Studie dazu konnte zeigen, dass die Menge an CO2-Äquivalenten einer anästhesiologischen Abteilung um 68 % reduziert werden konnte.27 Ist das vorstellbar!? Mehr als zwei Drittel des CO2-Ausstoßes der gesamten Abteilung. Die produzierte Menge CO2-Äquivalenten pro individuellem Mitarbeiter konnte von rund 17 auf 5 Tonnen pro Jahr verringert werden. Der Bundesdurchschnitt pro Bürger ist 11 Tonnen. Auch kann je nach eingesetzter operativer Technik der Anteil der volatilen Anästhetika an den gesamten CO2-Äquivalenten der Operation über 90% betragen.29
Im Krankenhausrahmen gedacht, ist je nach Größe des Hauses allein durch Verzicht auf Desfluran eine Einsparung von Emissionen entsprechend der von 100 bis 1200 Autos möglich.30
Eine TIVA mit Propofol hingegen hat eine CO2-Bilanz, welche 4 Größenordnungen geringer als die von Desfluran ist. Das Komma wandert 4 Stellen nach links.31


Wie kann ich praktisch etwas an meiner Klinik umsetzen?
• Überleg vor Beginn deiner Narkose, ob es eine Indikation für volatile Anästhetika (VA) gibt und wähle wenn möglich Propofol und/oder ein Regionalverfahren.
• Wenn du ein volatiles Anästhetikum nutzt, achte unbedingt auf einen minimalen Frischgasfluss. Das gilt insbesondere für die Einleitungsphase, da hier bei hohem Flow große Mengen VA verbraucht werden. Es existieren verschiedene Techniken zur Reduktion des Flow.32
• Wenn du schon ein VA nutzt, dann aus Klimaschutz- und Kostengründen Sevofluran.9,33
• Verzichte soweit wie möglich auf Lachgas, sollte es dein Haus überhaupt noch vorhalten.13,15
• Sprich mit deinen KollegInnen über die Auswirkungen von VA, integriert das Thema in eure Fortbildungsreihe.
• Bildet euch in den Techniken der Regional- und Lokalanästhesie fort als Alternative zur VA.
• Klebt Aufkleber auf eure Verdampfer. Regenwald vs. Feuerbrust.34
• Installiere eine App zur Verdeutlichung des CO2-Äquivalents von VA.35
• Reevaluiert eure SOPs kritisch nach Indikationen für VA.
• Evaluiert Recyclingmethoden von VA mittels Scavenging.
• Und an alle primär ökonomisch denkende: das gute Argument der Kostenreduktion durch Reduktion von Frischgasfluss.36


Was spricht konkret für den Einsatz volatiler Anästhetika anstatt einer TIVA bzw. für Desfluran statt Sevofluran?
Wir wollen beide Seiten betrachten und auch Platz für Argumente lassen, die für eine Narkose mit Desfluran sprechen. Insbesondere in der bariatrischen Chirurgie, wo die Pharmakokinetik von Substanzen angesichts der Lipidlöslichkeit der Anästhetika speziell ist, sind schnellere Zeiten bis zur Extubation, Rückkehr von Schutzreflexen und somit vermutlich dem Verlassen des OP Saals nachweisbar.37 Das kann angesichts des steigenden wirtschaftlichen Drucks auf das Gesundheitssystem nicht wegdiskutiert werden. Da sich allerdings die Unterschiede nur auf wenige Minuten belaufen, ist die individuelle Erfahrung und der Umgang des/der AnästhesistIn mit den jeweiligen Narkotika vermutlich ausreichend, diesen Unterschied auszugleichen bzw. ihn zu invertieren. Kombiniert mit einem Verfahren zum Neuromonitoring werden die PatientInnen doch gleich schnell wach. Weitere Studien zeigen je nach Design und Patientengruppe jeweils Vor- und Nachteile beider Verfahren und es scheint bislang keine abschließende Aussage TIVA vs. Balancierte Anästhesie bzw. Desfluran vs. Sevofluran außerhalb der Kardiochirurgie möglich zu sein. 38,39,39,40 Insbesondere bei extrem adipösen Patienten scheint eine TIVA sogar Vorteile gegenüber Desfluran zu bieten. 39
Bei speziellen Indikationen für insbesondere Sevofluran in der Kinderanästhesie sind VA vermutlich kaum zu ersetzen und fester Bestandteil der klinischen Praxis. Ebenso bestehen in der Kardiochirurgie Mortalitäts- wie Morbiditätsvorteile durch den Einsatz von VA, ohne jedoch Desfluran zu präferieren.41
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die tendenziell höheren Kosten einer TIVA, wenn auch das abhängig vom Frischgasfluss ist.42 In der heute ökonomisch geprägten Krankenhauswelt ist dieses Argument eines der zentralen gegen die breite Umsetzung einer deutlichen Reduktion des Einsatzes volatiler Anästhetika. Jedoch ist hier die Ausrichtung der Argumentation wichtig. Eine Reduktion von Frischgasflow reduziert die Kosten der Narkose relevant, welche wiederum mit dem vermehrten Einsatz von TIVA und deren höheren Preis aufgewogen werden können.36 Potenziell höhere Kosten von Treibhausgasausstoß im Rahmen einer CO2-Kompensation durch Zertifikate könnten die Verhältnisse weiter verändern, wenn auch der medizinische Sektor bislang nicht direkt betroffen ist.43
Insgesamt ist also bereits unter isolierter Betrachtung der ökonomischen Implikationen eine deutliche Reduktion des Einsatzes von volatilen Anästhetika diskutabel vor einer Krankenhausverwaltung. Das Argument “TIVA ist zu teuer” erscheint verkürzt. Traut euch also ruhig, in diese Diskussion einzusteigen und Verbesserungen nach vorne zu bringen.


Warum sollte ich etwas ändern?
Im Rahmen unseres Alltags versuchen viele von uns mit kleineren Schritten unseren persönlichen CO2-Imprint zu verbessern. Dabei gibt es mannigfaltige Möglichkeiten wie erneuerbare Energien für zu Hause, Verzicht auf Einwegprodukte, Vermeidung des Autos und von Flugreisen etc.. Eine weitere Möglichkeit für AnästhesistInnen mit großem Impact besteht in ihrer täglichen Medikamentenauswahl. Es gibt insbesondere für Desfluran quasi keine Indikation ohne zumindest gleichwertige Alternativen und selbst Sevofluran und Lachgas sind, abgesehen von deren hoher Wertigkeit in der Behandlung von Kindern und Herzoperationen, in den meisten Fällen verzichtbar.
Neben den Möglichkeiten der Einflussnahme innerhalb unseres eigenen Wirkkreises sind jedoch weitere Maßnahmen im “larger scale” nötig. Der Anteil am gesamten CO2-Ausstoß durch Privatpersonen ist im Vergleich zur Industrie und großen Unternehmen deutlich geringer. Hier bestehen enorme Einsparpotenziale, welche auch im Kosmos Krankenhaus existieren wie Energiequellen, Abfallmanagement und Divestment. Hierzu möchten wir euch/dich zum Hören unserer weiteren Podcast-Episoden einladen.

Quellen:
1 Erfolgreiche Schutzmaßnahmen für Ozonschicht. Startseite. https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/schutz-der-ozonschicht-1671328 (accessed Aug 5, 2020).
2 Verordnung zum Verbot von bestimmten die Ozonschicht abbauenden Halogenkohlenwasserstoffen (FCKW-Halon-Verbots-Verordnung). Bundesgesetzblatt Teil I 1991; : 1090.
3 Watts N, Amann M, Arnell N, et al. The 2019 report of The Lancet Countdown on health and climate change: ensuring that the health of a child born today is not defined by a changing climate. Lancet Lond Engl 2019; 394: 1836–78.
4 Global Warming of 1.5 oC —. https://www.ipcc.ch/sr15/ (accessed Aug 5, 2020).
5 Climate change. https://www.who.int/westernpacific/health-topics/climate-change (accessed Aug 5, 2020).
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8 IPCC Zusammenfassung 2013. https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/02/WG1AR5_SPM_FINAL.pdf (accessed Aug 5, 2020).
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11 Thompson RL, Lassaletta L, Patra PK, et al. Acceleration of global N 2 O emissions seen from two decades of atmospheric inversion. Nat Clim Change 2019; 9: 993–8.
12 Lachgas. IPCC14. http://www.ipcc14.de/kommentare/24-glossar/l/52-lachgas (accessed Aug 7, 2020).
13 Gadani H, Vyas A. Anesthetic gases and global warming: Potentials, prevention and future of anesthesia. Anesth Essays Res 2011; 5: 5–10.
14 Myles PS, Leslie K, Chan MTV, et al. Avoidance of nitrous oxide for patients undergoing major surgery: a randomized controlled trial. Anesthesiology 2007; 107: 221–31.
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16 Myles PS, Leslie K, Chan MTV, et al. The safety of addition of nitrous oxide to general anaesthesia in at-risk patients having major non-cardiac surgery (ENIGMA-II): a randomised, single-blind trial. The Lancet 2014; 384: 1446–54.
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43 Bundesregierung | Klimaschutz | Grundlage für CO2-Preis steht. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/nationaler-emissionshandel-1684508 (accessed Aug 23, 2020).